So zahlt Urlaub auf ein positives Arbeitgeberimage ein

Employer-Branding-Impuls 03

Was hat Urlaub mit der Arbeitgebermarke zu tun? Und vor allem: Wie kann er das Arbeitgeberimage positiv beeinflussen? Schließlich ist er doch nicht mehr und nicht weniger als ein gesetzlich vorgeschriebener Anspruch auf freie, bezahlte Tage. Oder etwa nicht? Wir sind diesem Thema in unserem dritten Employer-Branding-Impuls nachgegangen und haben Spannendes entdeckt.

Ob Arbeitnehmer oder Unternehmer – auf den eigenen Urlaub freut sich (fast) jeder. Da stimmt auch Alex Reuter* zu, seines Zeichens Geschäftsführer eines IT-Unternehmens. Doch wenn er daran denkt, wieviel Geld ihn der Urlaub seiner Mitarbeitenden kostet, ist seine Meinung doch eher ambivalent.

 

Natürlich ist Alex klar, wie wichtig die freien Tage für die Erholung seiner Leute sind – und dass sie zu ihrer Gesundheit beitragen. Andererseits steht dem Gehalt in der Urlaubszeit jedoch keine Arbeitsleistung gegenüber – zumindest, wenn man alle positiven Wirkungen des Urlaubs erst mal außen vor lässt. In vielen Unternehmen fehlt es dadurch in den Sommer- und Ferienmonaten an allen Ecken und Enden an Menschen, die das alltägliche Arbeitsaufkommen abarbeiten. Große Erlössprünge sind in diesen Zeiten somit nicht drin.

Bis zu einem gewissen Grad hat Alex das selbstredend einkalkuliert. Doch sein Unternehmen bewegt sich in einer Branche, die dazu einen hohen Fachkräftemangel und damit nur noch eine hauchdünne Personaldecke hat. Und so schwingt bei ihm immer ein wenig Angst mit, dass jede Hand bzw. jeder Kopf, der sich im Urlaub befindet, das System ins Wanken bringen könnte. Wie um alles in der Welt sollte also gerade der Urlaub ein Pluspunkt für seine Arbeitgebermarke sein können?

Urlaub als Pluspunkt für die Arbeitgebermarke

In Branchen mit traditionell wenigen Urlaubstagen reicht zuweilen schon ein Angebot von 30 oder mehr Urlaubstagen aus, um potenzielle Bewerber aufhorchen zu lassen. Wer sich jedoch wirklich von seinen Mitbewerbern abheben will, braucht bessere Argumente, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Gerade in den Branchen mit Fachkräftemangel. Schließlich können sich hier die Bewerber ihre Arbeitgeber frei aussuchen – und wählen gern ein Umfeld, das ihren individuellen Bedürfnissen entspricht.

Wir haben uns für Alex auf die Suche gemacht und exemplarisch drei der vielen innovativen Ideen herausgesucht, die es derzeit auf dem Markt gibt. Staunen Sie selbst über die Unternehmen, die über ihren besonderen Umgang mit Urlaubstagen sehr erfolgreich eine starke Arbeitgebermarke aufgebaut und ein positives Arbeitgeberimage erworben haben.

Die Netfox AG, ein IT-Unternehmen aus Brandenburg, bietet ein Ansparkonto für Langzeitziele. Jeder Mitarbeitende hat dadurch die Möglichkeit, bis zu 10 Urlaubstage im Jahr zurückzulegen. Jedes Jahr auf Neue. So sammeln sich im Laufe der Zeit immer mehr Urlaubstage an. Am Stück genommen reichen sie nach wenigen Jahren aus, sich einen langgehegten Wunsch zu erfüllen – sei es eine Weltreise, ein längerer Retreat (Rückzug) und weiteres.

Eine Anerkennung der besonderen Art bietet das Hamburger Energieunternehmen LichtBlick an. Jeder Mitarbeitende hat hier nach 3 Jahren Betriebszugehörigkeit Anspruch auf ein Sabbatical über 3 Monate – bei voller Lohnfortzahlung. Und das alle 3 Jahre aufs Neue. Anders als bei klassischen Sabbaticals müssen die Mitarbeitenden jedoch nicht jeden Sabbatical-Tag im Vorfeld ansparen. LichtBlick erwartet lediglich ein Investment von 10 Urlaubstagen pro Jahr. Und die sind verhältnismäßig leicht einzusparen, weil der Jahresurlaub bei 30 Tagen liegt – für alle Mitarbeitenden, egal wie alt sie sind.

Seit Anfang der Corona-Krise stehen viele Eltern immer wieder vor der Herausforderung, ihre Kinder zuhause betreuen zu müssen. Am Anfang konnten sich die meisten noch mit Urlaubstagen, Sonderurlaub oder Überstunden behelfen. Naturgemäß war das Kontingent jedoch irgendwann erschöpft. Das Versicherungsunternehmen DEVK hat sich deshalb für eine ganz besondere Idee geöffnet: dem Spendenkonto für Arbeitsstunden und Urlaubstage. Egal, ob Azubi oder Abteilungsleiter – jeder konnte 2020 seinen betroffenen Kolleginnen und Kollegen Zeit spenden – in Form von Arbeitsstunden, Urlaubstagen und Überstunden. Diese gespendeten Stunden kamen in einen Pool und konnten anschließend von den Mitarbeitenden mit Kinderbetreuungsproblem in Anspruch genommen werden.

Und wie geht man das Thema Urlaub für die eigene Arbeitgebermarke an?

Wer wie Alex Änderungen im Leistungsmodell seines Unternehmens vornehmen möchte, sollte das nicht losgelöst tun, sondern ganzheitlich planen und realisieren. Am besten gelingt das im Rahmen eines Employer-Branding-Prozesses. An diesem Punkt ist Alex schon. Er hat die Entscheidung getroffen, eine (möglichst authentische) Arbeitgeberpositionierung zu entwickeln, um auf Dauer mit seiner Firma wachsen zu können.

Und wie läuft so ein Prozess ab? Gestartet wird sinnvollerweise damit, die Stärken, die Vision, die Unternehmenskultur und die sinnstiftenden Faktoren herauszuarbeiten, die Ihrem Unternehmen Leben einhauchen. Und das gemeinsam mit den Mitarbeitenden. Denn nur so erhalten Sie ein realistisches, authentisches Profil.

Und was kommt dann? Dann geht es an konkrete Fragestellungen, die über Mitarbeiterinterviews und Arbeitsgruppen beantwortet werden. Was bietet unser Unternehmen heute schon an Zuwendungen? Was wünschen wir uns als Mitarbeitende an weiteren Angeboten, um uns sicher und gut aufgehoben zu fühlen? Welche Urlaubsleistungen wäre ein toller Grund, uns hier zu bewerben bzw. in unserer Firma zu bleiben?

Die Antworten auf all diese Fragen kommen manchmal recht schnell. Dennoch kann es ein langer und anspruchsvoller Weg sein, bis alle Interessen unter einen Hut gebracht werden und sich das neue Konzept für alle Beteiligten wirklich gut anfühlt.

Und das ist noch nicht alles: Jede Employer-Branding-Maßnahme – und damit auch besondere Leistungen in Bezug auf Urlaub – muss wirtschaftlich, steuer- und arbeitsrechtlich tragfähig sein – bis zum letzten getippten Satz. Schließlich ändern sich Arbeitsverträge und weitere Vereinbarungen nicht von allein.

 

Ein Aufwand, der sich lohnt

Alex hat verstanden: Die Eintrittshürde zu einem Employer-Branding-Prozess ist nicht gerade klein. Sie bedeutet Aufwand, Einsatz und Invest. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Doch ohne Fleiß kein Preis. So wie in allen Dingen, in denen es um Weiterentwicklung geht. Das hat Alex ebenfalls verstanden. Und das zeigt sich in Branchen mit Fachkräftemangel derzeit auch ganz deutlich. Weil es hier nach wie vor Unternehmen gibt, die sich vor Bewerbern kaum retten können und andere, die Däumchen drehen.

Wer hier in die Puschen kommt, kann ein attraktives Arbeitgeberimage entwickeln und sein Unternehmen zu einen Bewerbermagneten machen. Einen „Hotspot“ für motivierte, zufriedene und leistungsbereite Mitarbeitende – und glückliche Kunden.

Andreas Kahl

 

* Name und Firma geändert
** In Frankreich ist diese Möglichkeit schon seit geraumer Zeit rechtlich abgesichert. In Deutschland funktioniert sie bisher nur unter ganz bestimmten betrieblichen Regelungen.